Diese Beiträge werden von der Heimatgemeinde Obergünzburg als gelegentliche Früchte ihrer Arbeit veröffentlicht. Sie sollen in zwangloser Folge fortgesetzt werden.
Pflegebeschreibung der Pflege Liebenthann – 1714
Im Folgenden veröffentlichen wir den Text eines Manuskripts, das als Grundlage für die künftige Erforschung der Familien- und Häusergeschichte von Obergünzburg sowie zahlreicher Orte der Umgebung dienen wird. Ebenso soll es die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der damaligen Bevölkerung erhellen.
Es handelt sich um die im Jahr 1714 vollendete Beschreibung der Pflege Liebenthann (Obergünzburg), verfasst vom damaligen Pfleger Eberhard Andreas Freiherr von Stuben. Das Manuskript befindet sich in der hiesigen Marktregistratur und umfasst 182 durchnummerierte Doppelseiten sowie 25 Registerblätter. Es wird in Folgebeiträgen näher erschlossen.
Einleitung des Pflegers
Nachdem ich nunmehr in das 18. Jahr das gnädige Vertrauen Seiner hochfürstlichen Gnaden, des hochwürdigsten und hochgeborenen Herrn Rupert, Abt des fürstlichen Stifts Kempten und Erzmarschall des römischen Reiches, genießen durfte, habe ich mich entschlossen, zu Ehren seiner Gnaden und des hochwürdigen Kapitels einen Abriss der mir anvertrauten Pflege samt der zugehörigen Pfarrei Ebersbach zu verfassen.
Ziel war es, meinen Nachfolgern ein kompaktes Werk zu hinterlassen, das Aufschluss über Rechte, Pflichten und Verhältnisse gibt – ein sogenanntes Salbuch, das ihnen in Kürze erlaubt, ihren Amtspflichten nachzukommen. Möge es stets zur Erstellung untertäniger Berichte dienen. Ich empfehle mich damit samt den Meinigen in untertäniger Dankbarkeit der hochfürstlichen Gnade.
Obergünzburg, 1714
Eberhardt Andreas Freiherr von Stuben, Pfleger alhier
Fragen zur angrenzenden Herrschaft
Es folgt die erste Reihe an „Quaestiones“, die beantwortet werden sollen:
- Welche fremden Herrschaften grenzen an diese Pflege?
- Lebt man mit ihnen in Ruhe oder Streit? Wenn Letzteres: worin bestehen diese?
- Ist eine Beilegung möglich?
Zu Frage 1: Die Herren von Schönaw besitzen Lehen vom fürstlichen Stift Kempten, z. B. das Weilerdorf Willofs (Karte) mit Kirche zu Ehren des hl. Johannis Baptista, das eine Filialkirche der Pfarrkirche Obergünzburg ist. Auch das Weilerdorf Burg und Wolfartsperg gehören dazu.
Die Herren von Schönaw sind ebenfalls berechtigt an der einst ihnen übergebenen Herrschaft Ronsberg, die zur Grafschaft Roggau gehörte, sowie an Hofflächen und Feldern der Liebenthanner. Weiterhin grenzt der Bremberger Wald mit Nutzrechten an.
Auch das Gotteshaus Ottobeuren grenzt mit dem Weiler Bremberg und dem Hof Schwantelehoff an.
Frage 2: Friedliches Nebeneinander?
Zum zweiten Punkt: Mit Ottobeuren besteht gutes Einvernehmen, früherer Streit wurde beigelegt. Die Markungsgrenzen wurden amtlich festgelegt – etwa ab Günszegg bis zu den oberen Waldmarken, gekennzeichnet durch Grenzsteine, etwa bis nach Böhen (Karte) zur Schmiede.
Im Jahr 1604 wurde bei nächtlicher Gelegenheit von Amts wegen eine Ehebrecherin mit bewaffneter Hand aus dem Dorf abgeholt, entkam jedoch und wurde für vogelfrei erklärt.
(Fortsetzung folgt.)
Quelle: Obergünzburger Tagblatt erschienen am 23.09.1920