Diese Beiträge werden von der Heimatgemeinde Obergünzburg als gelegentliche Früchte ihrer Arbeit veröffentlicht. Sie sollen in zwangloser Folge fortgesetzt werden.
Wirtschaft, Abgaben und Handwerk in der Pflege Obergünzburg (1714)
Im folgenden Abschnitt der Pflegebeschreibung von Obergünzburg (1714) erläutert Pfleger Eberhard Andreas Freiherr von Stuben ausführlich die wirtschaftlichen Grundlagen, die Abgaben, das Maß- und Gewichtswesen sowie die in der Pflege ansässigen Handwerke.
Einkommen und Abgaben der Pfarreien
Das Einkommen der Pfarreien beruht hauptsächlich auf:
- Erträgen aus den eigenen Widumsgütern
- Groß- und Klein-Zehenten
- Einnahmen aus dem sogenannten Stuhl (Stuhlgeld)
Die Widumsgüter, besonders die von den Pfarrherren selbst bewirtschafteten, sind von allen öffentlichen Abgaben befreit.
Kirchliche Ämter und Besetzung
Die Ämter der Kirchendiener — Schullehrer, Mesner, Heiligen- und Siechenpfleger sowie Todtengräber — werden durch das Heiligenamt besetzt, wobei der Schullehrer zusätzlich der Regierung zur Bestätigung vorgestellt werden muss.
Die Heiligen- und Siechenpfleger werden von den jeweiligen Heiligenbruderschaften mit Zustimmung des Heiligenamts besoldet.
Für alle weiteren Ämter gelten die spezifischen Regelungen, die in der jeweiligen Pfarreibeschreibung gesondert erläutert werden.
Kirchliche Stiftungen
Die Heiligenfonds der Pfarreien sind solide fundiert und bestehen aus:
- Eigengütern
- Einnahmen aus Zinserträgen
- Votivgaben
- Schuldverschreibungen und Kapitalzinsen
Diese Fonds sind von öffentlichen Lasten ausdrücklich befreit.
Huldigungspflicht der Untertanen
Alle Untertanen sind dem regierenden Fürsten zu huldigen verpflichtet. Dies ist zuletzt bei Antritt der Regierung des jetzigen Fürsten geschehen (Gott gebe, dass dies lange Jahre so bleibe!).
Da jedoch seit der letzten Huldigung zahlreiche Fremde in die Pflege einheirateten oder sich zugekauft haben, während viele der zuvor gehuldigten alten Bürger verstorben sind, ist es geboten, dass ein jeder, der sich in der Pflege dauerhaft niederlässt, bei seinem Einzug dem Pfleger im Namen des Fürsten Treue schwört.
Amtspersonen
Die Ammänner, Gerichtsleute und Hauptleute werden von der Regierung bestellt, wobei der Pfleger jeweils drei geeignete Kandidaten benennt.
Gerichtsbarkeit
Die Pflegeämter haben die erste Instanz in der Gerichtsbarkeit inne. Gegen Urteile kann bei der Hochfürstlichen Regierung Berufung eingelegt werden — unter Hinterlegung von vier Pfund Pfennig.
Wege, Stege und Straßen
Die Pflege ist für den Bau und die Unterhaltung der Landstraßen zuständig. Die Unterhaltung wurde bislang aus dem Ertrag des Wegezolls bestritten. Sollte dieser künftig nicht mehr ausreichen, wird man die Untertanen erneut heranziehen müssen.
Die Unterhaltung von Stegen, Wegen und Holzwegen obliegt den jeweiligen Gemeinden.
Maß, Gewicht und Münzwesen
In der Pflege gelten folgende Maße:
- Memminger Kornmaß
- Memminger Gewicht und Ehl
- Das Maß wurde auf fürstlich-kemptische Norm umgestellt.
Die Überprüfung (Visitation) der Maße und Gewichte erfolgt jährlich durch vereidigte Kontrolleure auf Jahrmärkten und Kirchweihen.
Preisüberwachung
Brot, Bier, Wein und Fleisch werden von vereidigten Kontrolleuren regelmäßig geprüft und bepreist. Hierbei gelten die jeweils aktuellen Vorgaben der Fürstlichen Kammer.
Zur Information der Bevölkerung (auch der Durchreisenden) hängt eine öffentlich sichtbare Tabelle aus, auf der die aktuellen Brotsorten, Fruchtpreise und Maße verzeichnet sind.
Handwerk in der Pflege
Die Pflege beherbergt eine Vielzahl von Handwerkern:
- Barbiere, Bader
- Sattler, Schreiner, Maler, Drechsler, Schlosser
- Huf- und Hammerschmiede
- Bierbrauer, Bäcker, Müller, Metzger
- Schneider, Schuster, Kramer
- Krummholz- und Stockdreher
- Wachszieher, Lebzelter, Nagler, Kübler, Hutmacher
- Bürstenbinder, Färber, Rotgerber, Weißgerber
- Kürschner, Seifensieder, Leineweber
- Stuhllehner, Kupferschmiede
- Strumpfwirker
Die Handwerker sind teils zünftig organisiert. Wer sich niederlassen will, muss die jeweils geltenden Zunftvorschriften beachten.
(Fortsetzung folgt.)
Quelle: Obergünzburger Tagblatt erschienen am 27.12.1920