43 Ausgabe Kleine Beiträge zur Geschichte von Obergünzburg

43# Kleine Beiträge zur Geschichte von Obergünzburg von 1920

Diese Beiträge werden von der Heimatgemeinde Obergünzburg als gelegentliche Früchte ihrer Arbeit veröffentlicht. Sie sollen in zwangloser Folge fortgesetzt werden.


Der Schwedenkrieg in der Umgebung von Obergünzburg – Teil 8

Niemand wusste zu sagen, wie viel geschlagen war. Er war schon ganz verdorben, ehe er Kommissarius geworden war, alles hatte er verschleudert und verschwendet. Jetzt wollte er mit Gewalt und Unrecht („per vim et nefas“) erneut aus der verwüsteten und zerrütteten Grafschaft Obergünzburg Einnahmen erzwingen – das war gute schwedische Praxis, nach ihrem Recht und billig.

Da nun die Soldaten abgezogen waren, mussten auch unsere Salvaguardien (Schutztruppen) weichen. Bisher hatten wir diese bezahlt und bewirtet, sie durchstreiften gern alle Winkel, warfen ihre Augen auf schöne Pferde, und was die Plünderer nicht erreicht hatten, nahmen sie. Kaum waren sie weggerufen, wurde alles aufgestockt. Wir mussten das alles bereitstellen, und dennoch wurden wir am Ende selbst beraubt.

Als die Stadt Kempten nicht mehr von Truppen besetzt war, kamen bald kaiserliche und leopoldinische Truppen und begannen, die protestantischen Häuser in der Umgebung zu plündern – darunter auch Hammersschmiede und Papiermühlen.

Die Kemptener beeilten sich daraufhin, ihre leeren Lager mit Raubgut wieder zu füllen. Auch aus Kaufbeuren und Krumbach kamen Plünderer, und am 29. und 30. dieses Monats wurden 400 neue Soldaten aus Memmingen und dem Württembergischen einberufen.

Das siebte Kapitel – Vom Monat September

Am 3. dieses Monats wurde das erste eingesetzte Volk wieder abgezogen, am 10. kam es erneut und blieb standhaft. Dabei ist anzumerken, dass die Kemptener bereits am 29. August das Stift Kempten angezündet hatten und das übrige Holzwerk, das sie nicht herausbringen konnten, verbrannten. Die Gewölbe wurden großenteils gesprengt. Zwei große Glocken – darunter die „Hosanna“ – sowie die Custos-Glocke wurden herabgestürzt. Die Hosanna-Glocke, eine gewaltige Glocke, fiel bis in die alte Sakristei, schlug ein großes Loch, blieb aber erstaunlicherweise ganz. Der Glockenguss dieser berühmten Glocke war vom Abt Gravenegg erneut in Auftrag gegeben worden, weil ein Riss sie unbrauchbar gemacht hatte.

Im sogenannten „Hosanna-Turm“ fand man im Turmknauf ein Zettelchen, das besagte, dieser und ein weiterer Turm hätten zusammen 306 Pfund Heller gekostet. Zwei riesige Männer, Sancimon und Ceolebrand, sollen sie hauptsächlich errichtet haben – es war ein sehr kostspieliges Bauwerk aus mächtigen Quadersteinen, mit Blei gegossen oder eingedollt. Man wunderte sich, wie Gott solch ruchlosen und gottlosen Leuten zusehen konnte.

Trotzdem behaupteten sie, es wundere sie, dass Gott nicht längst an diesem „Huren-Nest“ ein Zeichen gesetzt habe. Nun, meinten sie, könnten sie getrost sterben – sie hätten es doch noch erlebt, dass dieses „Huren-Nest“ zu Boden liege.

Fortsetzung des Septembers

Günstiger Leser, so hast du nun kürzlich das traurige Ende des fürstlichen Stiftes Obergünzburg vernommen.

Am 17. und 18. September erschienen dann kaiserliche Truppen bei Immenstadt – es waren etwa 7000 Mann. Man vermutete, ihr Ziel sei die Stadt Kempten. Am selben Tag zogen rund 2080 Schweden aus Memmingen auf Kempten zu, wurden aber nicht eingelassen und lagerten bei Lenggries.

Zu diesem Zeitpunkt begannen die Kemptener ein neues „Te Deum“ anzustimmen – sie beteten zu Gott um Frieden, nachdem sie bereits genug gegen das Stift getobt hatten. Weil die kaiserlichen Truppen sowohl in Immenstadt als auch an anderen Orten Stärke zeigten, und niemand genau wusste, was ihre Absicht war, zogen sie Richtung Landsberg. Das machte dem schwedischen Major in Kempten Angst, und er schickte am 20. dieses Monats 50 Reiter zum Jahrmarkt nach Obergünzburg, um seine 2000 Reiter dort unterzubringen. Sie vertrieben das Marktvolk und plünderten.

Am selben Nachmittag kamen dann die 2000 Reiter nach Obergünzburg, hielten dort Nachtquartier und raubten, was sie auf dem Weg erbeuten konnten. Sie hausten schlimmer als je zuvor und zogen am 21. weiter Richtung Mindelheim.

Gleich am Abend kamen an ihrer Stelle 260 weitere Soldaten, die ebenfalls Nachtquartier forderten. Sie ließen sich mit 50 Talern abfinden und zogen dann weiter nach Bayern.

(Fortsetzung folgt.)



43 Ausgabe Kleine Beiträge zur Geschichte von Obergünzburg
43 Ausgabe Kleine Beiträge zur Geschichte von Obergünzburg
Quelle:  Obergünzburger Tagblatt erschienen am 04.08.1920

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